Sonntag, 11. Januar 2009

Ehrlich oder doof?

Vor kurzem stand ich vor der Aufgabe, einen Tiffen Black & White Viewing Filter für eine EBay-Auktion zu fotografieren.

Er dient dazu, natürlichen Szenen ihre Farbigkeit zu nehmen, um dem Fotografen vorab eine Einschätzung der Tonwertverteilung einer Schwarz-Weiss-Aufnahme zu vermitteln. Der Filter sieht aus wie eine kleine Lupe, die mit einer eingesetzten gelb-braunen Filterscheibe die Motivfarben abdämpft und desaturiert. Man bekommt so einen besseren Eindruck davon, wie das Bild in schwarz-weiss aussehen würde (besonders gut bei Wolken, Himmel, Landschaft, usw.). Auch das Erkennen von Linien und Formen wird vereinfacht.

Wie fotografiert man diesen Filter nun? Ein Standard-Produkt-Setup würde ihn und vor einen neutralweißen Hintergrund stellen und mit dem weichen Licht einer Softbox beleuchten:


Um zu verdeutlichen, das in der Mitte wirklich wirklich Glas sitzt, könnte man noch irgendwas Reflektierendes einbauen (der Zollstock ist natürlich nur ein Beispiel):


Dieses Produktfoto wäre zwar ehrlich, aber es würde rein gar nichts über die Funktionsweise des Filters aussagen. Mit anderen Worten, der Käufer würde auf die berühmte Katze im Sack steigern.

Besser wäre es doch, wenn man den Filter in Aktion sehen würde, also beim "Entfärben" bunter Dinge:


Hm, was ist das? Man sieht ja gar nichts!

Tatsächlich ist der Filter sehr dunkel und eher für den Outdoor-Einsatz geeignet. Wir verlieren 3 bis 4 Blendenstufen, wenn wir durchschauen. Na gut, dann beleuchten wir den Motivteil, der hinter dem Filter liegt also etwas mehr als den Rest:


Nun sieht man den Effekt besser, aber wirklich monochrom ist das nicht, oder? Aber auch da kann man ja ein wenig nachhelfen - in diesem Fall mit Lightroom:


Wären wir in der Wissenschafts-Fotografie und wollten die Funktionsweise des Filters bestmöglich illustrieren, könnten wir das Bild so durchgehen lassen. Tatsächlich wollte ich den Filter aber verkaufen, und dieses Version wäre doch wohl etwas unaufrichtig, oder?

Also nehmen wir den Effekt wieder etwas zurück und erhalten die finale Version:


Diese (bzw. eine ähnliche Version) habe ich auch tatsächlich für die Auktion verwendet. Es ist doch bekannt, dass zu Werbezwecken immer etwas übertrieben und geschönt wird! Na ja, ich habe sehr schnell ein schlechtes Gewissen bekommen und reichlich Text beigefügt, um zu erklären, was der Filter wirklich zu leisten vermag.

Ist das nun ehrlich oder doof?

Die Auktion wird's zeigen. Der Preis eines solchen Filters liegt neu bei etwa 50 €. Das letzte gebrauchte Exemplar ist mit wenig illustrativen Bildern für über 30 € weggegangen. Aber ehrlich gesagt, ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache...

P.S. Bei Monochrom wird der Filter mit einem Bild des Typs 1 angeboten (Modell "Katze im Sack"). Als der Wahrhaftigkeit verpflichteter Fotojournalist müsste man wohl Variante 3 verwenden.

Nachtrag: der Filter hat klägliche 16,28 EURO gebracht...

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